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Ihre Sachkunde ist gefragt: Gutachten-Erstellung durch Steuerberater - Teil I

Gerald Schwamberger, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Göttingen

Für Steuerberater kann die Tätigkeit als Sachverständiger für Gerichte oder Staatsanwaltschaften interessant sein, weil ihre Spezialkenntnisse in vielen rechtlichen Auseinandersetzungen vor Gerichten oder bei strafrechtlichen Tatbeständen gefragt sind. Sie beschäftigen sich bereits in ihrer Tagesarbeit mit den für diese Tätigkeit relevanten Themen und können unter Zugrundelegung der vorhandenen gesetzlichen Bestimmungen, der Rechtsprechung und führender Kommentare zu den Streitfragen neutral Stellung nehmen. Ein vielfältiges Aufgabengebiet wartet darauf, erschlossen zu werden.

Arten von Sachverständigengutachten

Sachverständigengutachten über betriebswirtschaftliche, handelsrechtliche und steuerrechtliche Fragestellungen sind insbesondere bei Gerichten gefragt, wenn Schadenersatzforderungen geltend gemacht werden. So sind in gerichtlichen Prozessen oft Schadenersatzforderungen gegenüber Angehörigen der steuerberatenden Berufe streitig, bei denen es i.d.R. darauf ankommt, ob eine Falschberatung vorliegt und ggf. die Vermögensschadenhaftpflicht des Beraters den Schaden zu übernehmen hat. 

Außerdem ist die Frage der Insolvenzverschleppung und der sich daraus ergebenden Schadenersatzforderungen von Gläubigern des Insolvenzschuldners oft Streitgegenstand vor Gerichten. Bei diesen Verfahren hat der Sachverständige die Frage des Zeitpunkts der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu überprüfen und darzulegen. Im Rahmen von Auseinandersetzungen von Gesellschaftern und der Bewertung von Beteiligungen kann eine Unternehmensbewertung Gegenstand des Gutachtens sein. 

Ein weiterer Bereich von gerichtlichen Gutachten sind Gebührenstreitigkeiten nach der Steuerberatergebührenverordnung (StBGebV). Häufig werden Steuerberaterkammern zu Sachverständigen bestimmt. Diese erstellen die Sachverständigengutachten jedoch oft nicht selbst, sondern lassen sie von Steuerberatern anfertigen. 

Der Beweisbeschluss

Der Gutachten-Ersteller muss durch einen Beweisbeschluss des Gerichts – i.d.R. unter Zustimmung der Parteien – beauftragt werden, ein Gutachten entsprechend dem Beweisbeschluss zu erstellen. Im Beweisbeschluss werden eine oder mehrere Fragen, die das Gericht für klärungsbedürftig hält, benannt und dargestellt, an die sich der Gutachter unbedingt zu halten hat. Vom Auftrag nicht umfasste Fragen hat er nicht aufzugreifen. Der Sachverständige hat das Gutachten allein und selbst zu erstellen. Er ist als Hilfskraft des Gerichts tätig und nur dem Gericht gegenüber verantwortlich. Der Gutachter muss beachten, dass sein Gutachten für die Urteilsfindung des Gerichts zu erstellen ist, dass also die Ausführungen aus seiner Sicht die Entscheidung im Prozess nicht bereits vorwegnehmen. Andererseits müssen die laut Beweisbeschluss zu klärenden Fragen sachlich, ausführlich und umfassend beantwortet werden, wobei die Neutralität des Gutachters Voraussetzung ist. 

Insbesondere die rechtlichen Vertreter der Parteien versuchen immer dann, wenn das Ergebnis des Gutachtens nicht ihren eigenen Vorstellungen entspricht, die Feststellung der Befangenheit des Gutachters zu erreichen. Dieses Vorhaben ist umso eher von Erfolg gekrönt, je mehr eindeutige Fehler dem Sachverständigen unterlaufen. 

Beispiel 

Ein Gericht beauftragte einen Steuerberater, die steuerliche Belastung des Klägers aufgrund einer erhaltenen Abfindung aus einem Arbeitsvertrag zu ermitteln, wenn dem Kläger die Abfindung erst zu Beginn des Folgejahres zugeflossen wäre. Die Beklagte, eine Rechtsanwältin, hatte keine entsprechende Empfehlung erteilt. Der Kläger stellte gegen den Sachverständigen ein Befangenheitsgesuch. Dieses erklärte das Gericht für begründet und gab dem Ablehnungsantrag des Klägers statt. In der Folge musste das Gutachten erneut erstellt werden und der Gutachter musste sein hierfür erhaltenes Honorar an das Gericht zurückzahlen (LG Hannover 17.11.11, 20 O 86/10, Abruf-Nr. 122268).
In der Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass ein Sachverständiger von einer Partei wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann, wenn objektive Umstände oder Tatsachen vorliegen, die vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus bei vernünftiger Betrachtungsweise geeignet sind, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit zu rechtfertigen (BGH 15.3.05, VI ZB 74/04, NJW 05, 1869, 1870, Abruf-Nr. 051282). Dabei genügt jede Tatsache, die bei einer Partei ein auch nur subjektives Misstrauen in die Unparteilichkeit des Sachverständigen vernünftigerweise rechtfertigen kann.
Das Gericht hat in der Begründung weiterhin darauf hingewiesen, dass in dem Gutachten an vielerlei Stellen von „wir“ und von „uns“ die Rede ist (der Gutachter war Gesellschafter einer Steuerberatungsgesellschaft) und dass das Gutachten nicht nur vom Sachverständigen selbst, sondern daneben auch vom Steuerberater-Kollegen (beide Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft) mitunterzeichnet worden ist, obwohl nur einer der Steuerberater als Einzelperson als Sachverständiger beauftragt worden war.
Weiterhin hat das Gericht festgestellt, dass es einen Ablehnungsgrund darstellen kann, wenn ein gerichtlich bestellter Sachverständiger mit seinen Feststellungen und Ausführungen über die durch den Beweisbeschluss vorgegebenen Beweisfragen hinausgeht und vom Auftrag nicht umfasste Fragen beantwortet (OLG Oldenburg 13.11.07, 5 W 133/07, MDR 08, 101; OLG Celle 18.1.02, 14 W 45/01, NJW-RR 03, 135). Das Gericht hält es insoweit für maßgeblich, ob sich der Sachverständige aus der Sicht der ablehnenden Partei quasi an die Stelle des Gerichts setzt und seine Neutralitätspflicht verletzt, indem er dem Gericht oder den Parteien den aus seiner Sicht für richtig gehaltenen Weg der Entscheidungsfindung weist. Der Sachverständige hatte sich in seinem Gutachten nicht darauf beschränkt, die Beweisfrage zu beantworten, sondern Ausführungen zur Haftung des steuerlichen Beraters gemacht sowie Angaben zur Rechtsprechung der FG zum Zufluss einer Abfindung in steuerlicher Sicht dargestellt. Darüber hinaus wurde vom Sachverständigen im Gutachten ausgeführt, dass es zum Zeitpunkt der Beratung durch die Rechtsanwältin keinen Unterschied gemacht hätte, ob die Abfindung im ersten oder zweiten Kalenderjahr zugeflossen wäre, und dass im ersten Jahr nicht absehbar gewesen sei, dass im Folgejahr ein die Beurteilung beeinflussendes Urteil ergehen würde.
Weiterhin hat der Sachverständige Ausführungen dazu gemacht, wie er selbst oder ein Steuerberater sich grundsätzlich verhalten hätten. Mit diesen Ausführungen, so das Gericht, hat der Sachverständige dem Gericht vorbehaltene Aufgaben wahrgenommen und dem Gericht seinen für richtig gehaltenen Weg zur Entscheidung gewiesen bzw. weisen wollen. Das Gericht stellte fest, dass der Sachverständige den Gutachten-Auftrag eindeutig eigenmächtig ausgedehnt und aus Sicht des Klägers den Eindruck erweckt hat, er zeige dem Gericht mit seinem Gutachten unzulässigerweise, nämlich gerade ohne einen entsprechenden Auftrag, den von ihm für richtig gehaltenen Weg zur Entscheidung des Rechtsstreits auf. Damit habe er Misstrauen in seine Unparteilichkeit als Gehilfe des Gerichts mit der Folge hervorgerufen, dass der Ablehnungsantrag des Klägers wegen Besorgnis der Befangenheit begründet ist. Darauf, ob der Sachverständige tatsächlich befangen sei, komme es nicht an. 

Technik der Gutachten-Erstellung 

Der Aufbau eines Sachverständigengutachtens muss für das Gericht überschaubar und die Entwicklung des Ergebnisses muss nachvollziehbar sein. Hierzu gehört eine sachbezogene und logisch aufgebaute Gliederung, die möglichst die Entwicklung der Ergebnisfindung des Sachverständigen ausdrückt. 

Zu Beginn des Gutachtens sollten die Angabe über die Bestellung des Sachverständigen, der Wortlaut des Beweisbeschlusses und die in diesem gestellten Fragen stehen. Damit kann der Leser des Gutachtens die Grundlagen und Fragestellungen erkennen, die er sich beim Lesen des Gutachtens immer wieder vergegenwärtigen kann. 

Praxishinweis: Soweit für den Sachverständigen Unklarheiten im Beweisbeschluss bestehen, sollte er diese vor Erstellung des Gutachtens mit dem zuständigen Richter klären. 

Als erster wesentlicher Gliederungspunkt ist es empfehlenswert, die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalte darzustellen. Dies ist deshalb wichtig, damit jeder Leser des Gutachtens nachvollziehen kann, ob der Gutachter von zutreffenden Streitgegenständen und diesen zugrunde liegenden Sachverhalten ausgegangen ist. Wenn nämlich an dieser Stelle bereits Unklarheiten bestehen, kann das Ergebnis des Gutachtens eventuell unzutreffend sein oder die Befangenheit des Sachverständigen im Raum stehen. 

Hinweis: Unklarheiten im Sachverhalt des Streitgegenstands müssen im Gutachten zum Ausdruck kommen, denn dem Sachverständigen stehen nur die Gerichtsakte und eventuell vom Gericht zusätzlich angeforderte Unterlagen von den Parteien zur Verfügung. Soweit der Sachverständige weitere Unterlagen benötigt, kann er diese über das Gericht von den Parteien anfordern. Unklarheiten, die darüber hinaus weder aus der Gerichtsakte, noch aus angeforderten Unterlagen geklärt werden können, müssen entsprechend im Gutachten dargestellt werden. 
Merke: Der Sachverständige ist nicht berechtigt, offene Fragen des Sachverhalts nach eigener Logik oder Erfahrung im Gutachten zu beantworten. Eine direkte Kontaktaufnahme zu den Parteien oder deren Rechtsvertreter ist nicht zulässig. 

Nach der Darstellung des Streitgegenstands und des diesem zugrunde liegenden Sachverhalts ist zu den einzelnen Fragen des Beweisbeschlusses Stellung zu nehmen. 

Hinweis: Bei der Stellungnahme sollte die Abfolge für jede einzelne Frage so erfolgen, dass zunächst eine allgemeine rechtliche oder wirtschaftliche Darstellung des Streitgegenstands oder der Streitfrage erfolgt. Nachfolgend kann auf den dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalt eingegangen werden. Dabei können die vorab dargestellten grundsätzlichen Ausführungen herangezogen und quasi vor die Klammer gezogen werden. Dadurch wird vermieden, dass bei mehreren zu beantwortenden Fragen immer wieder neue Erläuterungen zu den allgemeinen rechtlichen Fragen vorgebracht werden müssen. 

Beispiele 

Bei der Frage des Beweisbeschlusses, ob eine fehlerhafte Beratung hinsichtlich der Bildung einer Ansparabschreibung vorgelegen hat, sind zunächst eine Begriffsbeschreibung zu geben und die steuerrechtliche Bestimmung für das entsprechende Kalenderjahr sowie ihre steuerliche Auswirkung grundsätzlich zu erläutern.
Bei der Frage im Beweisbeschluss, ob eine GmbH zu einem bestimmten Zeitpunkt zahlungsunfähig oder überschuldet war, ist vorab grundsätzlich und allgemein auf die Frage der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung unter Hinweis auf die gesetzlichen Grundlagen, die Rechtsprechung und die Kommentarmeinungen einzugehen. Bei Fragen des Beweisbeschlusses hinsichtlich der Bewertung eines Unternehmens ist die herrschende Meinung über die Bewertung von Unternehmen darzustellen. Unbedingt erforderlich ist hierzu auch, dass nicht nur die Meinung des Sachverständigen zum Ausdruck kommt, sondern insbesondere eine höchstrichterliche Rechtsprechung und möglichst herrschende Kommentarmeinungen zu den jeweiligen Fragen des Sachverhalts. 

Im Anschluss an die grundsätzlichen Ausführungen sollte auf das dem Rechtsstreit zugrunde liegende Problem eingegangen und das Ergebnis des Sachverständigen unter Entwicklung der Entscheidungsfindung und Berücksichtigung der vorab aufgeführten allgemeinen Darstellung begründet werden. In der Stellungnahme und Beurteilung des Streitgegenstands müssen – wie auch in die Darstellung des Sachverhalts – die kontroversen Meinungen der Parteien miteinbezogen werden. In der Entscheidungsfindung muss jedoch klargestellt werden, warum der Sachverständige zu seinem Ergebnis kommt und inwieweit und weshalb dieses Ergebnis von der vorgetragenen Meinung der einen oder anderen Partei abweicht. 

Praxishinweis: Soweit umfangreiche Darstellungen in Form von Berechnungen notwendig sind, sollten diese zu einer besseren Übersicht als Anlagen zum Gutachten erstellt werden. Damit wird der Text des Gutachtens nicht unnötig verlängert. 

Grundlagen für die Ergebnisfindung

Häufig haben Außenstehende bei den Streitgegenständen Feststellungen in Form von Berichten oder Gutachten getroffen, die dann selbstverständlich für das Sachverständigengutachten zu benutzen sind. 

Beispiel 

Streitig ist die Frage, ob die vorgenommenen Bilanzansätze im Jahresabschluss einer mittelgroßen GmbH zutreffend erfolgten. Da es sich hierbei um eine Klinik handelt, sind ggf. die Sondervorschriften der Krankenhaus-Buchführungsverordnung (KHBV) zu beachten. Der Wirtschaftsprüfungsbericht einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft liegt in den Gerichtsakten vor. 

Bei der Erstellung des Gutachtens ist zunächst auf allgemeine Vorschriften des Handelsrechts und die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung einzugehen. Darüber hinaus sind die Sondervorschriften der KHBV aufzuzeigen, die ggf. zu sachlichen oder ausweislichen Abweichungen zum Handelsrecht führen können. Zur Frage des Beweisbeschlusses ist selbstverständlich der Prüfungsbericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft heranzuziehen. Aus den sich aus den Gerichtsakten und sonstigen Unterlagen ergebenden – vom Sachverständigen selbst zu beurteilenden – Grundlagen, den Darstellungen der Parteien und der Beurteilung im Wirtschaftsprüfungsbericht ist das Ergebnis im Rahmen des Sachverständigengutachtens ausführlich zu entwickeln. Sollte das Ergebnis eine abweichende Beurteilung gegenüber dem Wirtschaftsprüfungsbericht und den dort gefundenen Feststellungen ergeben, ist dies ausführlich zu begründen. Anderenfalls kann auf den Wirtschaftsprüfungsbericht und die dortigen Ausführungen Bezug genommen werden. 

Beispiel 

Der Kläger fordert von seinem Steuerberater Schadenersatz aus fehlerhafter Beratung, weil bei Vorliegen einer Betriebsaufspaltung (Einzelunternehmen-Betriebs-GmbH, Vater alleiniger Gesellschafter) der Betriebsgesellschaft 50 % der GmbH-Anteile vom Vater an den Sohn übertragen wurden. Dadurch wurden im Rahmen einer Betriebsprüfung durch das zuständige FA stille Reserven im Einzelunternehmen festgestellt. Diese führten zu Steuerzahlungen, die wiederum als Schadenersatz geltend gemacht wurden.
Neben den Gerichtsakten und den beigefügten Unterlagen der Parteien sind Grundlagen für die Schadensbemessung und -berechnung die ebenfalls in den Gerichtsakten vorhandenen Steuerbescheide sowie der Betriebsprüfungsbericht des FA. Nach Darstellung der Betriebsaufspaltung als grundsätzliches Konstrukt des Steuerrechts ist bei der Stellungnahme des Sachverständigen im Gutachten auf die einzelnen Positionen der höheren Steuern, die sich aufgrund der Betriebsprüfung ergeben haben, einzugehen. Dabei können andere Sachverhalte als die Auflösung der Betriebsaufspaltung durch die Übertragung der GmbH-Anteile an den Sohn vorliegen, die als Schadenersatzanspruch nicht infrage kommen. Hierzu ist es erforderlich, dass die sich im Rahmen der Betriebsprüfung ergebenden Änderungen der steuerlichen Berechnungen im Einzelnen nachvollzogen werden. 

In welchem Umfang es zu einem Schaden gekommen ist, ist dann dezidiert und umfassend zu erläutern und darzustellen. Soweit im Beweisbeschluss auch die Alternative angesprochen wird, ob ein eventuell angefallener Schaden vermeidbar gewesen wäre, müssen die Möglichkeiten und ggf. Nachteile aufgezeigt werden, die zur Vermeidung der durch die Auflösung der Betriebsaufspaltung entstandenen Mehrsteuern geführt hätten. Es ist jedoch auch darauf einzugehen, ob die Aufdeckung der stillen Reserven in diesem speziellen Fall auch Vorteile für den Kläger haben könnte. 

Im Ergebnis ist auch darzustellen, welche steuerlichen Auswirkungen sich aufgrund der Aufdeckung für die Zukunft ergeben. So können durch die Aufdeckung stiller Reserven höhere Abschreibungen in der Zukunft das steuerliche Ergebnis beeinflussen. Dem im Aufdeckungsjahr entstandenen Steuernachteil können wiederum Steuervorteile in der Zukunft gegenüberstehen. Diese sind ggf. so weit wie möglich zu berechnen. Soweit im Beweisbeschluss nicht auf Zinsfragen eingegangen wurde, kann nach Meinung des Autors keine Zinsberechnung des Schadens oder etwaiger sich in Zukunft ergebender Steuervorteile aufgeführt werden, weil die tatsächlichen Ergebnisse ungewiss sind. Im Ergebnis kann aber darauf hingewiesen werden, dass eine Verzinsung der Vor- und Nachteile nicht vorgenommen wurde. 

Ergänzungsgutachten

Oft ergeben sich im Rahmen des Rechtsstreits nach Erstellung eines Sachverständigengutachtens neue Fragen der Parteien, oder von den Parteien werden neue Sachverhalte zum Streitgegenstand vorgetragen, die im Sachverständigengutachten noch nicht behandelt werden konnten. Es ist auch möglich, dass Streitfragen auftreten, die im Beweisbeschluss für das Sachverständigengutachten noch nicht erfasst und dadurch im Gutachten auch nicht anzusprechen waren. In solchen Fällen wird vom Gericht häufig ein Ergänzungsgutachten vom Sachverständigen gefordert. Dabei ist wiederum nur auf die im zugehörigen Beweisbeschluss gestellten Fragen einzugehen. 

Ein Ergänzungsgutachten kann auch dann erforderlich sein, wenn zu einer den Streitgegenstand betreffenden Frage nicht ausführlich genug Stellung genommen oder die Frage nicht im Detail beantwortet wurde. Weiterhin können Ausführungen im Gutachten, die zwar zum Streitgegenstand erfolgten, jedoch bei den Parteien neue Fragen aufgeworfen haben, durch ein Ergänzungsgutachten beantwortet werden. Dieses wird außerdem gelegentlich durch ein Gericht angefordert, um von den Parteien aufgeworfene Fragen zum Gutachten zu beantworten. 

Beispiel 

Die durch einen beklagten Steuerberater bescheinigte Plausibilitätsbeurteilung eines Jahresabschlusses war mangelhaft und entsprach nicht den Vorgaben der Bundessteuerberaterkammer. In einer Rückfrage will eine der beteiligten Parteien wissen, was unter einer Plausibilitätsbeurteilung zu verstehen ist und warum diese im Gutachten als mangelhaft angesehen wurde. Die Antwort im Ergänzungsgutachten weist darauf hin, dass für die Plausibilitätsbeurteilung eines Jahresabschlusses die analytische Vorgehensweise hinsichtlich ihres Zwecks und Ergebnisses, den daraus zu ziehenden Folgerungen und deren Auswirkungen auf den Jahresabschluss einzeln zu dokumentieren ist. 

Teilnahme an mündlicher Verhandlung

Insbesondere dann, wenn es sich um einen komplizierten Sachverhalt handelt, legt das Gericht Wert darauf, den Sachverständigen bei der Beweisaufnahme oder in die mündliche Verhandlung vorzuladen, um mit ihm zusätzliche Informationen zum Ergebnis des Sachverständigengutachtens zu erörtern. Auch die rechtlichen Vertreter der Parteien haben die Möglichkeit, Anträge zu stellen, dass der Sachverständige sein Gutachten mündlich erläutert und auf Fragen der Parteien eingeht. 

Praxishinweis: Bei Vorladung als Sachverständiger zur mündlichen Verhandlung ist unbedingt eine umfassende Vorbereitung erforderlich. Der Sachverständige muss sich darauf einstellen, dass nicht nur im Gutachten behandelte Fragen diskutiert werden, sondern dass es zusätzliche Fragestellungen gibt. Er muss also den Sachverhalt laut Gerichtsakte ausführlich kennen, um seine sachliche Darstellung im Gutachten oder seine Beantwortung von Sachfragen im Kontext zum Gutachten bei oft aggressiven Fragen der Parteivertreter verteidigen zu können. 

Haftung

Der Sachverständige kann nach § 839a BGB auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden, wenn er ein unrichtiges Gutachten erstattet, das zu einem fehlerhaften Urteil führt, sodass eine Prozesspartei einen Vermögensschaden erleidet oder ein Angeklagter ungerechtfertigt eine Freiheitsstrafe in Kauf nehmen muss. Allerdings ist festzustellen, dass es bisher ca. 40 veröffentlichte Gerichtsentscheidungen zu dieser Thematik gibt, wobei die Schadenersatzprozesse gegen die jeweiligen Sachverständigen in keinem Fall zum Erfolg der angeblich geschädigten Prozesspartei geführt haben. Dies liegt vor allem daran, dass der Anspruchstatbestand des § 839a BGB an enge Voraussetzungen geknüpft ist. Der geschädigte Anspruchsteller muss die Unrichtigkeit des Gutachtens und darüber hinaus Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Sachverständigen nachweisen. Die Rechtsprechung verlangt zusätzlich, dass der spätere Anspruchsteller während des vorangegangenen Verfahrens alle prozessualen Möglichkeiten genutzt haben muss, um die Unrichtigkeit des vom Gericht eingeholten Gutachtens nachweisen zu können. Dies bedeutet, dass eine Prozesspartei den Sachverständigen im Zivilprozess vom Gericht zum Termin laden lassen muss, um ihm dort seine angeblichen Fehler vorzustellen. Sollten hierbei Gründe für ein parteiisches Verhalten erkennbar werden, muss der Antragsteller einen Antrag auf Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit stellen. 

Darüber hinaus muss der Antragsteller einen Privatgutachter einschalten, um auf diese Weise dem Gericht die Fehlerhaftigkeit des Gutachtens des Sachverständigen plausibel zu machen: „Als Rechtsmittel i.S. von § 839a Abs. 2 BGB i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB ist auch die Einholung eines Privatgutachtens zu dem Zwecke anzusehen, die angebliche Fehlerhaftigkeit des Gerichtsgutachtens gegenüber dem erkennenden Gericht aufzuzeigen“ (OLG Celle 10.11.11, 13 U 84/11, Abruf-Nr. 113894). 

Zusammenfassung

Für ein gerichtliches Gutachten ist es unbedingt erforderlich, zum Schluss die Ergebnisse im Rahmen einer Zusammenfassung für das Gericht aufzulisten – insbesondere dann, wenn über viele Seiten Begründungen und Darstellungen erfolgten, umfangreiche Berechnungen erforderlich waren oder eine größere Anzahl an Fragen zu beantworten war. In dieser Zusammenfassung sind nicht nochmals alle Begründungen aufzuführen, sondern nur in kurzen, ggf. stichwortartigen Erläuterungen die Ergebnisse darzustellen. 

Beispiel 

Wie unter Nr. ... dargestellt, wurde durch die Übertragung der GmbH-Anteile auf den Sohn die Betriebsaufspaltung aufgelöst. Die Auflösung von stillen Reserven des Anlagevermögens führte zu Mehrsteuern laut Anlage 2 in Höhe von ... EUR. Die in Anlage 3 aufgelisteten Anlagegüter führen in der Zukunft zu höheren Abschreibungen, sodass im Kalenderjahr ... das Betriebsergebnis des Unternehmens um ... EUR gemindert wird. Entsprechend der dann der Besteuerung zugrunde liegenden Ergebnisse ergeben sich Steuervorteile in voraussichtlicher Höhe von ... EUR (siehe Anlage 4). 

Die Zusammenfassung sollte das gesamte Ergebnis des Gutachtens darstellen. Die dort aufgeführten Ergebnisse sollten in Zahlen dargestellt werden, sodass das Gericht nicht gezwungen ist, umfangreiche Berechnungen durchzuführen. 

Beispiel 

Die nach dem Beweisbeschluss vom ... zu ermittelnden Schadensbeträge belaufen sich wie vom Kläger beantragt auf ... EUR.