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Vergütung für die Prüfung von Steuerbescheiden

Gerald Schwamberger, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Göttingen

Die Prüfung von Steuerbescheiden für Mandanten ist für den Steuerberater keine zusätzliche Serviceleistung, sondern eine eigenständige Angelegenheit und ein gesonderter Gebührentatbestand gem. § 28 StbVV. Den Auftrag, Steuerbescheide des Mandanten zu prüfen, erhält der Steuerberater konkludent, wenn ihm entweder die Steuerbescheide im Auftrage des Mandanten vom Finanzamt, der Kommune oder einer anderen steuerbescheiderlassenden Behörde direkt zugestellt werden oder wenn sie ihm vom Mandanten vorgelegt werden.

Zustellung und Prüfung des Bescheides

Die Zustellung durch die Finanzbehörden muss den Behörden durch schriftliche Einverständniserklärung des Mandanten mitgeteilt werden, sodass insoweit ein dauernder Auftrag für die Prüfung von Steuerbescheiden vorliegt, der nur durch Änderung der Vollmacht beendet wird. Legt der Mandant dem Steuerberater den Steuerbescheid vor, so ist mit dieser Vorlage der Auftrag erteilt, auch den Steuerbescheid zu überprüfen, es sei denn, der Mandant verzichtet ausdrücklich hierauf.

Laut amtlicher Begründung zu § 28 StbVV erhält der Steuerberater die Zeitgebühr für die Prüfung des Steuerbescheids, gleichgültig, ob er die Steuererklärung, die dem zu prüfenden Steuerbescheid zugrundeliegt, selbst angefertigt hat oder nicht. Der Ansatz einer gesonderten Vergütung auch in den Fällen, in denen der Steuerberater die Steuererklärung selbst vorbereitet hat, ist gerechtfertigt, weil die Prüfung des Bescheids nicht nur einen Vergleich der der Veranlagung zugrundeliegenden Beträge mit den Angaben in der Steuererklärung erfordert. Es müssen daneben Prüfungen der Kassenabrechnung der Finanzbehörde, Überprüfung von festgesetzten Steuervorauszahlungen und weitere für den Mandanten wesentliche Angaben wie Überprüfung von Sachverhalten, die die Vorläufigkeit gem. § 165 AO durch Verwaltungserlass erfordern, durchgeführt werden.

Umfang der Prüfung

Aufgrund umfangreicher ausstehender höchstrichterlicher Steuerrechtsprechung hat das BMF für eine Vielzahl von Steuersachverhalten die Vorläufigkeit vorgesehen. Bezogen auf die steuerlich relevanten Sachverhalte des Mandanten ist zu überprüfen, ob die für den Mandanten zutreffenden Vorläufigkeitsvermerke im Steuerbescheid korrekt und umfassend genug angegeben sind. Weiterhin ist zu überprüfen, inwieweit ggf. Vermerke der Finanzbehörde auf dem Steuerbescheid zu beachten sind. Die Prüfung umfasst auch die Feststellung, ob der Bescheid endgültig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung ergeht. Es ist zu prüfen, ob Verluste entstanden sind und für diese ein Verlustfeststellungsbescheid zum Zwecke des Verlustvortrags entweder für bestimmte Einkünfte oder gem. § 10 d EStG erlassen wurde.

Ein reiner Abgleich von Beträgen mit dem Steuerbescheid, ohne die vorgenannten Überprüfungen, rechtfertigt eine Vergütung nach § 28 StbVV nach dem Urteil des OLG Dresden vom 29.1.03 (INF 2003, 440 ff.) nicht.

Die Prüfung eines Steuerbescheids als grundsätzlich eigenständige Angelegenheit – nämlich als eine gebührenpflichtige Tätigkeit und eigener Gebührentatbestand – bedeutet nicht, dass mit der Berechnung und Erstellung von Steuererklärungen die Prüfung der später ergehenden Steuerbescheide abgegolten ist. Dies bedeutet, dass diese Vorschrift gleichermaßen für erste Bescheide nach Einreichung von Steuererklärungen oder Festsetzungen der Finanzbehörden gilt wie für sämtliche geänderten Bescheide.

Beispiel 1

Mandant X erhält nach Abgabe der Einkommensteuererklärung 2012 einen Einkommensteuerbescheid, der acht Wochen später aufgrund von Änderungen an der Beteiligung an einer Personengesellschaft geändert wird.

Ergebnis:
 Die Prüfungen beider Steuerbescheide sind nach § 28 StbVV zu berechnen.

Beispiel 2

Mandant Y erhält nach Betriebsprüfung für die Jahre 2009-2011 drei geänderte Einkommensteuerbescheide, drei geänderte Umsatzsteuerbescheide, drei geänderte Gewerbesteuermessbescheide und drei Gewerbesteuerbescheide.

Ergebnis:
Die Prüfungen aller geänderten Bescheide sind gem. § 28 StbVV zu berechnen. Sie sind nicht mit der Vergütung nach § 29 StbVV für die Begleitung und Beratung im Rahmen der durchgeführten Betriebsprüfung durch den Steuerberater abgegolten, weil es sich um einen eigenständigen Gebührentatbestand handelt. Während die Beratung und Überprüfung der Prüfungsfeststellungen durch die Finanzbehörde mit Ergehen des Betriebsprüfungsberichts abgeschlossen sind, sind alle zusätzlichen Tätigkeiten für die Überprüfung der geänderten Steuerbescheide nach § 28 StbVV zu berechnen.

Beispiel 3

Mandant Z erhält einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010, gegen den der Steuerberater auftragsgemäß Einspruch einlegt. Der aufgrund des Einspruchs geänderte Bescheid hat jedoch nicht alle im Rahmen des Einspruchs vorgetragenen Einspruchsgründe berücksichtigt und erging acht Monate später.

Gegen den geänderten Bescheid wird wiederum Einspruch eingelegt; das Finanzamt erlässt nach drei Monaten einen Einspruchsbescheid. Gegen den Einspruchsbescheid erhebt der Steuerberater im Auftrag des Mandanten Klage. Die Klage hat Erfolg. Das Finanzamt erlässt nunmehr einen weiteren geänderten Bescheid.

Ergebnis:
Für alle Steuerbescheide, bei denen eine Steuerfestsetzung i.s.d. § 155 AO stattgefunden hat, ist jeweils eine Prüfungsgebühr gem. § 28 StbVV zu berechnen. Für den Einspruchsbescheid, der als Verwaltungsakt keine Steuerfestsetzung beinhaltet, kann eine Vergütung gem. § 21 StbVV berechnet werden. Diese Vergütung ist bei der Geschäftsgebühr gem. § 40 Abs. 2 StbVV bei Vertretung im Rechtsbehelfsverfahren anzurechnen (vgl. § 21 Abs. 1 StbVV). Die Prüfung eines berichtigten Steuerbescheids nach erfolgreichem Klageverfahren ist wiederum gem. § 28 StbVV abzurechnen.

Wie in den Beispielen dargestellt, ist die Prüfung von Steuerbescheiden gegenüber anderen Tätigkeiten (z. B. Teilnahme an Betriebsprüfungen gem. § 29 StbVV, Rechtsbehelfsverfahren gem. § 40 StbVV) als eigener Gebührentatbestand abzurechnen. Eine Begründung im Streitfall, dass die Steuerbescheidprüfungen zu einer erhöhten Vergütung z.B. bei Vertretung bei Betriebsprüfungen oder im Rechtsbehelfsverfahren führen, ist unzulässig.

Die Argumentation des Mandanten, dass die Fertigstellung der Steuererklärungen und Ermittlung der steuerlichen Auswirkungen bereits eine Prüfung des später ergehenden Steuerbescheids beinhaltet, ist ebenfalls unzulässig, weil die Mitteilung des steuerlichen Ergebnisses nach Erstellung der Steuererklärungen oftmals entweder als Service angeboten wird oder im Rahmen der Vergütungen für die Steuererklärungen als abgegolten angesehen wird. Die umfassenden Prüfungen von Steuerbescheiden, bei denen nicht nur die Besteuerungsgrundlagen und die Festsetzung der Steuer, sondern auch weitere Merkmale des Steuerbescheids zu prüfen sind, können erst vollzogen werden, wenn der Steuerbescheid ergangen ist.

Vergütungsberechnung

Nach § 28 StbVV ist die Vergütung nach Zeitgebühr i.s.d. § 13 StbVV mit 30-70 EUR je angefangene halbe Stunde abzurechnen. Die Prüfung von Steuerbescheiden erfordert eine qualifizierte Tätigkeit von Mitarbeitern oder Berufsträgern, die über der Mittelgebühr liegen sollte. Diese Tätigkeit ist haftungsgeneigt, weil Fehler bei der Überprüfung der Steuerbescheide und deren Bestandskraft zu Regressen führen und neben finanziellen Nachteilen auch den Verlust des Mandats zur Folge haben können. Daher erscheint aus meiner Sicht eine Gebühr von 60 EUR pro angefangener halber Stunde als angemessen. Bei der Abrechnung von mehreren Steuerbescheiden erhält der Steuerberater die Prüfungsgebühr für jeden Steuerbescheid einzeln – ein Mengenrabatt ist nicht angezeigt.

Bei Erheben eines Rechtsbehelfs gegen einen Steuerbescheid ist bei vorheriger Prüfung des Steuerbescheids die Rechtsbehelfsgebühr gem. § 40 Abs. 2 StbVV anzuwenden, d.h. die Prüfung des Steuerbescheids ist auf jeden Fall nach § 28 StbVV zu berechnen, weil die verminderte Gebühr gem. § 40 Abs. 2 StbVV auch dann anzuwenden ist, wenn eine Prüfungsgebühr für den Steuerbescheid nicht berechnet und erhoben wird.

Die Vergütungen nach § 28 StbVV können im Rahmen von Pauschalvereinbarungen i.s.d. § 14 StbVV pauschaliert werden. Wenn in der Pauschalvergütungsvereinbarung verabredet wurde, dass die Prüfung von Steuerbescheiden in der Pauschalvergütung enthalten ist, sind hierfür keine gesonderten Berechnungen nach § 28 StbVV vorzunehmen, es sei denn, dass für besondere Tätigkeiten – wie Teilnahme an Betriebsprüfungen oder Erhebung von Rechtsbehelfen – die Berechnung von Bescheidprüfungsvergütungen ausdrücklich ausgenommen ist. Für Steuerbescheidsprüfungen von nicht laufend anfallenden Steuern – z.B. Grunderwerbsteuer, Erbschaftsteuer usw. – gilt in der Regel die Pauschalvereinbarung nicht, sodass für derartige Bescheide die Vergütung nach § 28 StbVV zu berechnen ist.

Keine Steuerbescheide

Als Steuerbescheid i.s.d. § 28 StbVV kann nur ein solcher i.s.d. § 155 AO verstanden werden. Für solche Verwaltungsakte, die nach § 155 AO keine Steuerbescheide sind, kann § 28 StbVV nicht angewandt werden. Ihre Überprüfung ist gem. § 21 StbVV einschlägig. Bei einer Abrechnung nach § 21 StbVV kann oftmals wegen nicht genügender Anhaltspunkte für die Schätzung eines Gegenstandswerts die Zeitgebühr i. s. d. § 13 StbVV anzusetzen sein. Die Prüfungsgebühr nach § 21 StbVV führt jedoch nicht zur Anwendung des § 40 Abs. 2 StbVV im Rahmen eines Einspruchsverfahrens, weil die verminderte Gebühr nach dieser Vorschrift ausdrücklich nur dann anzuwenden ist, wenn § 28 StbVV angewandt werden musste.

Allerdings kann § 28 StbVV auch für steuerbescheidähnliche Verwaltungsakte angewandt werden (FG Nürnberg v. 14.10.1986, VI 159/86, RBeistand 1986, 202), wie z. B. für einheitlich und gesonderte Feststellungsbescheide usw.

Nicht angewandt werden kann § 28 StbVV bei Festsetzung von Vollstreckungskosten, Prüfungsanordnungen für eine Außenprüfung nach § 196 AO, Prüfungsanordnungen für Sozialversicherungsaußenprüfungen oder Einspruchsbescheide, bei denen eine Steuerfestsetzung nicht stattfindet. Prüfungsanordnungen für steuerliche oder sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfungen sind Tätigkeiten im Rahmen einer Außenprüfung und damit nach § 29 StbVV abzurechnen.