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Vergütungen bei Selbstanzeige

Gerald Schwamberger, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Göttingen

Für die Berechnung der Vergütung für die Selbstanzeigeerklärung steht gemäß § 30 Abs. 1 StBVV der Rahmensatz von 10/10 bis 30/10 einer vollen Gebühr nach Tabelle A zur Verfügung. Welche Tätigkeiten davon umfasst sind oder welche gesonderte Gebührentatbestände darstellen und wie Sie eine vollständige Abrechnung vornehmen, erfahren sie in diesem Beitrag.

Selbstanzeige im Unterschied zur Berichtigungserklärung

Die Selbstanzeige i.S. von § 371 Abs. 1 bis 3 AO ist genauer bezeichnet eine Selbstanzeigeerklärung und begrifflich die rechtliche Wertung einer „Nacherklärung“, d.h. eine Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung von steuerlichen Angaben als Korrektur der Tathandlung einer Steuerhinterziehung nach § 370 AO und die Wiedergutmachung des Taterfolgs. Sie ist abzugrenzen von der „Berichtigungserklärung“, die dem Steuerpflichtigen nach § 153 AO die Möglichkeit bietet, seine durch Unkenntnis oder Unvermögen objektiv unstimmige Erklärung zu korrigieren.

Ob eine Richtigstellung rechtlich als Berichtigungserklärung oder als Selbstanzeige zu klassifizieren ist, ist ausschließlich abhängig von der rechtlichen Qualität des nacherklärten Sachverhalts und damit vom Vorhandensein eines Vorsatzes in Bezug auf die Fehlerhaftigkeit oder  Unvollständigkeit. Während bei der Berichtigungserklärung vorausgesetzt wird, dass der Steuerpflichtige die Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit seiner abgegebenen Steuererklärung nachträglich erkennt, setzt eine Selbstanzeigeerklärung voraus, dass die Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit wenigstens mit bedingtem Vorsatz verursacht worden ist.

Der beauftragte Steuerberater muss bei der Erstellung der Nacherklärungen vor dem Hintergrund der strafrechtlichen Beurteilung keine unterschiedliche Bearbeitung vornehmen, weil in beiden Fällen entweder bereits ein steuerstrafrechtlicher Sachverhalt vorliegt oder nachträglich entstehen kann, wenn die Nacherklärungen unvollständig sind. In beiden Fällen ist der Steuerberater gehalten, seinen Auftraggeber darauf hinzuweisen, dass zur Vermeidung von steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren eine vollständige Nacherklärung oder eine Vervollständigung der den Steuerpflichtigen betreffenden steuerrechtlichen Sachverhalte erforderlich ist.

Vergütungen für Selbstanzeigen nach § 30 StBVV

Während eine Berichtigungserklärung nach § 23 Nr. 1 oder Nr. 7 StBVV mit einer Wertgebühr berechnet wird, ist im Falle einer Selbstanzeigeerklärung § 30 StBVV anzuwenden. Der unterschiedliche Rahmensatz für die Vergütung zwischen den beiden Vorschriften ist durch die Schwierigkeiten und den Zeitaufwand bei der Ermittlung der Hinterziehungstatbestände bei einer Selbstanzeigeerklärung, die zu beachtenden Rechtsprobleme und die besondere Bedeutung für den Auftraggeber gerechtfertigt. Auch eine erhöhte Haftung des Steuerberaters ist nicht zu verkennen. Die Ermittlungsarbeiten beziehen sich in der Regel auf mehrere Veranlagungszeiträume. Auch die Beschaffung der erforderlichen Unterlagen – insbesondere wenn beim Auftraggeber Auslandseinkünfte oder Auslandsbeziehungen vorliegen – ist Teil der Tätigkeit, sodass der Rahmensatz auch diese Mehrarbeiten abdecken muss.

Von der Vergütung des § 30 StbVV umfasste Tätigkeiten

Der Tätigkeitsbereich des Steuerberaters bei Fertigung einer Selbstanzeige umfasst sämtliche Arbeiten im Zusammenhang mit der Selbstanzeige. Dazu gehören beratende Gespräche mit dem Auftraggeber, die Ermittlung und Anforderung der erforderlichen Grundlagen sowie der unrichtigen und unvollständigen Angaben, die Abfassung der Selbstanzeigeerklärung gegenüber der Finanzbehörde und die Berechnung der hinterzogenen bzw. leichtfertig verkürzten Steuern. Auch in diesem Zusammenhang notwendige Verhandlungen mit der Finanzbehörde sind mit der Vergütung abgegolten.

Nicht von der Vergütung des § 30 StBVV umfasste Tätigkeiten

Nicht mit der Vergütung gemäß § 30 StBVV abgegolten sind solche Tätigkeiten des Steuerberaters, die gesonderte Vergütungstatbestände in der StBVV darstellen. So treten in nicht wenigen Fällen Konkurrenztatbestände auf, die bei der Abrechnung zu beachten sind. Beispielsweise sind Ersterstellungen oder Berichtigungen von Buchführungen, Jahresabschlüssen und Steuererklärungen nicht nach § 30 StBVV abgegolten. Dasselbe gilt für sich im Rahmen dieser Tätigkeit ergebende Rechtsbehelfe.

Beispiel

Mandant X nimmt Kontakt mit dem Steuerberater S auf und erklärt ihm, dass das zuständige Finanzamt für die Jahre 2010 bis 2012 sowohl für die Einkommensteuer als auch für die Umsatzsteuer seines Gewerbebetriebs Schätzungsbescheide erlassen hat und diese in wenigen Tagen bestandskräftig werden. Als Neumandant erklärt er, dass die Buchführungen für die genannten Kalenderjahre durch seine Buchhalterin erstellt wurden und dass die Jahresabschlüsse noch zu erstellen sind. Weiterhin ergibt sich, dass das Finanzamt in den Schätzungsbescheiden für die Einkommensteuer lediglich Einkünfte aus Gewerbebetrieb angesetzt und Sonderausgaben entsprechend den Aufwendungen des Jahres 2009 in Höhe der zulässigen Höchstbeträge berücksichtigt hat. In den Umsatzsteuerbescheiden für die genannten Kalenderjahre wurde ein Jahresumsatz von 500.000 EUR entsprechend der letztmalig abgegebenen Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2009 angesetzt. Umsatzsteuervoranmeldungen für die Jahre 2010 bis 2012 wurden nicht vom Auftraggeber eingereicht. Entsprechende Schätzungen des Finanzamts wurden vorgenommen.

Der Auftrag für S lautet, gegen die Schätzungsbescheide des Finanzamts vorzugehen. X gibt den besonderen Hinweis, dass seine Ehefrau bereits im Jahr 2007 ein Mietwohnobjekt im Wege einer Erbschaft erworben hat. Die daraus resultierenden Einkünfte sind in den für die Jahre 2007 bis 2009 abgegebenen Steuererklärungen nicht erfasst. Auf Anraten von S beauftragt X diesen, auch die Steuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2009 richtigstellen zu lassen – gegebenenfalls in Form einer Selbstanzeige.

Ergebnis

S lässt sich für die Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Jahre 2007 bis 2012 alle erforderlichen Unterlagen vorlegen. Weiterhin erstellt er Jahresabschlüsse für die Jahre 2010 bis 2012 und erhebt Einsprüche gegen die Schätzungsbescheide. Für die Jahre 2007 bis 2009 ergeben sich positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Ehefrau. Die Gewinne aus Gewerbebetrieb für die Jahre 2010 bis 2012 übersteigen die laut Schätzungsbescheiden angesetzten Einkünfte aus Gewerbebetrieb erheblich. Die Jahresumsätze und die zu zahlenden Umsatzsteuerbeträge übersteigen die laut Schätzungsbescheid festgesetzten Umsatzsteuern ebenfalls erheblich.

Vergütungsberechnung

S berechnet eine Gebühr für die Erstellung einer Selbstanzeigeerklärung gegenüber dem Finanzamt gemäß § 30 StBVV. Bemessungsgrundlage der Gebühren sind die jeweiligen Erhöhungen der Einkünfte pro Kalenderjahr 2007 bis 2012. Für jedes Kalenderjahr ergibt sich somit ein gesonderter Gegenstandswert und eine gesonderte Gebühr (Meyer/Goez/Schwamberger, Anm. 4 zu § 30 StBVV; Feiter, Rz. 472). Die sich im Rahmen der Selbstanzeigeerklärung ergebenden Erhöhungen der Umsätze sind gemäß § 30 Abs. 2 StBVV pro Kalenderjahr in Höhe von 10 v.H. des Differenzbetrags zwischen den laut Schätzungsbescheiden angesetzten Umsätzen und den  tatsächlichen Umsätzen – mindestens jedoch 8.000 EUR – als Gegenstandswert zu berechnen.

Neben der Vergütung gemäß § 30 Abs. 1 StBVV berechnet S die Erstellung der Jahresabschlüsse für die Jahre 2010 bis 2012 gemäß § 35 Abs. 1 StBVV, die Ermittlung der Einkünfte (V+V) für die Jahre 2010 bis 2012 gemäß § 27 StBVV, die Erstellung der Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2010 bis 2012 gemäß § 24 Abs.1 Nr. 1 StBVV, die Erstellung der Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 2010 bis 2012 gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 5 StBVV und die Erstellung von Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2010 bis 2012 gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 8 StbVV. Vergütungen für Steuererklärungen und Jahresabschlüsse, die dem Finanzamt bisher noch nicht eingereicht wurden und neu erstellt werden mussten, sind nach den Vorschriften der StBVV zu berechnen und nicht mit der Vergütung gemäß §30 StBVV abgegolten.

Eine Berechnung der Einsprüche gegen die Schätzungsbescheide ist gemäß § 40 Abs. 2 StBVV vorzunehmen, denn die Auswirkungen der noch zu erstellenden Steuererklärungen waren nicht bekannt. Zusätzlich berechnet S die Prüfung der Schätzungsbescheide und, nachdem die Änderungen des zuständigen Finanzamts vorliegen, auch der geänderten Bescheide gemäß § 28 StBVV.

Vergütungsberechnung

Der recht hohe Rahmensatz des § 30 Abs. 1 StBVV von 10/10 bis 30/10 einer vollen Gebühr nach Tabelle A ist gerechtfertigt, weil eine Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalls erforderlich ist und die Ermittlung der Grundlagen für zurückliegende Kalenderjahre erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann und mit erheblichem Zeitaufwand verbunden ist. Darüber hinaus müssen alle Hinterziehungstatbestände ermittelt werden, um die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige gemäß § 371 AO zu erreichen. Weiterhin sind Sachverhalte dahingehend zu überprüfen, inwieweit verschiedene Steuerarten betroffen sein können. Durch den Ansatz eines Mindestgegenstandswerts in § 30 Abs. 2 StBVV in Höhe von 8.000 EUR hat der Verordnungsgeber zum Ausdruck gebracht, dass im Rahmen der Wertgebühr die besondere Bedeutung und der besondere Aufwand für die Fertigung von Selbstanzeigen auch in kleinen Fällen berücksichtigt werden müssen. Der Wortlaut des § 30 Abs. 2 StBVV stellt eindeutig klar, dass als Gegenstandswert für die Vergütungsberechnung die jeweiligen Steuerarten zugrunde zu legen sind, die bei der Erstellung von Steuererklärungen oder der Ermittlung von Einkünften nach der StBVV anzuwenden sind. Dies gilt für die Ertragsteuern, die Umsatzsteuer, die Grunderwerbsteuer und die Erbschaftsteuer.

Merke: Aufgrund des breiten Rahmensatzes gemäß § 30 Abs. 1 StBVV kann der Steuerberater seine Arbeit je nach Umfang und Schwierigkeit der beruflichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers i.S. des § 11 StBVV angemessen differenziert berechnen. Nur in Ausnahmefällen dürften Vergütungen erforderlich werden, die die Höchstgebühr überschreiten. In diesen Fällen ist eine gesonderte schriftliche Vereinbarung i.S. des § 4 StBVV mit dem Mandanten abzuschließen.

Da im Rahmen der Erstellung einer Selbstanzeigeerklärung sowohl jede Steuerart als auch jedes Kalenderjahr eine eigene Angelegenheit ist, sind Auslagen gemäß § 16 StBVV auch für jede Angelegenheit berechenbar. Weiterhin ist die Prüfung von Steuerbescheiden – sowohl der ergangenen Steuerbescheide vor Einreichung der Selbstanzeige (z.B. Schätzungsbescheide), als auch der Berichtigungsbescheide – gemäß § 28 StBVV zusätzlich abzurechnen, denn diese sind nicht mit der Vergütung für die Leistungen im Rahmen der Selbstanzeige abgegolten.

Anwendungsbereich

Die Vergütung für Tätigkeiten im Verfahren der Selbstanzeige betrifft die Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO und die Selbstanzeige nach § 378 Abs.3 AO für Tatbestände leichtfertiger Steuerverkürzung nach § 378 Abs.1 AO. Tätigkeiten für Steuerstraftatbestände gemäß § 370a AO (gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung), § 372 AO (Bannbruch), § 373 AO (gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel) und §374 AO (Steuerhehlerei) sind nicht nach § 30 StBVV abzurechnen, weil für diese Straftatbestände keine Selbstanzeige möglich ist. Ebenfalls unmöglich ist die Selbstanzeige für Steuerordnungswidrigkeiten nach den §§ 379 bis 382 AO.

Die Vergütung für Tätigkeiten, bei denen die Selbstanzeige nicht strafbefreiend erfolgt ist und nachfolgend ein Steuerstrafverfahren gegen den Auftraggeber eröffnet wird, sind nicht nach § 30 StBVV, sondern gemäß § 45 StBVV nach RVG abzurechnen. Soweit eine Selbstanzeige in einem Zeitraum erstattet wurde, für den die Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bereits erfolgt ist, kann nach dem Urteil des LG Duisburg (19.9.03, 7 S 238/02, KP 03, 41) die für die Selbstanzeige berechnete Gebühr gemäß § 30 StBVV nicht mehr abrechenbar sein. In derartigen Fällen empfiehlt sich der Abschluss einer schriftlichen Gebührenvereinbarung nach § 4 StBVV. Soweit die den Behörden durch Selbstanzeige bekanntgemachten steuerrelevanten Tatsachen dazu führen, dass Rechtsbehelfe geführt werden müssen, sind diese nach § 40 StBVV bzw. bei Klagen vor dem Finanzgericht gemäß § 45 StBVV nach RVG abzurechnen.