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Detlev Berning, Gerald Schwamberger: Wirtschaftsmediation für Steuerberater – Mediation als neues Beratungsfeld

Buchrezension für Spektrum der Mediation (Nr. 32, IV. Quartal 2008)

Die Autoren widmen sich mit dieser Veröffentlichung der verdienstvollen Aufgabe, das Tätigkeitsfeld der Steuerberatung für das Instrument der Mediation aufzuschließen. Insbesondere das weite Feld der Wirtschaftsmediation rückt mit diesem Anliegen in den Mittelpunkt. Das Buch richtet sich in erster Linie an Steuerberater, die für Unternehmen arbeiten und sich nicht nur als Sachverständige für steuerrechliche Fragen sehen, sondern zugleich einen wesentlichen Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg ihrer Mandanten leisten wollen. Das Buch soll als Lernhilfe für diejenigen dienen, die sich als (Wirtschafts-)Mediatoren ausbilden lassen. Es bietet sowohl grundlegende Informationen zum Mediationsverfahren und den unterschiedlichen Verhandlungsformen, als auch praxisrelevante Hinweise und Materialien zur Sachverhaltsklärung, Verhandlungsleitung und Gesprächsführung.

Das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Steuerberater und Mandant eröffnet aus Sicht der beiden Autoren die Chance, das Instrument der Mediation auch in den Arbeitsbereichen bekannt zu machen, die sich bislang im Konfliktfall eher bzw. ausschließlich auf den juristischen Klärungsweg konzentriert hatten. Berning und Schwamberger plädieren vor diesem Hintergrund für eine Erweiterung des Berufsbildes von Steuerberatern und schlagen vor, dass Steuerberater als „vorbereitende Fallmanager" im Konfliktfall aktiv werden, bevor ein Konflikt so weit eskaliert, dass eine gerichtliche Klärung unabdingbar ist.

Die Motivation für das Buch schöpfen die Autoren aus der Tatsache, dass nicht hinreichend bearbeitete Konflikte in einem Unternehmen fast immer zu wirtschaftlichen Konsequenzen führen, die bis zur Existenzbedrohung reichen können. Diese Risiken werden aber insbesondere bei kleineren und mittleren Unternehmen, deren Inhaber womöglich persönlich in einen Konflikt verstrickt sind, selten klar gesehen. Steuerberater mit entsprechenden Zusatzqualifikationen sollen dabei helfen, diesen psychologisch erklärbaren Mangel auszugleichen, um letztlich den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens abzusichern. Auf welche Weise Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in diesen Fällen vorgehen können, und welche Ansatzpunkte für geeignete Interventionen sinnvoll sind, beschreibt das Buch in einer anschaulichen und praxisnahen Sprache. 

Die Autoren sind seit vielen Jahren als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater tätig und schöpfen aus einem reichhaltigen Erfahrungsschatz, der beim Lesen dieses fundierten Werkes spürbar wird. Sie beschreiben den Aufbau dieser neuen Beratungsleistung in der eigenen Kanzlei und erläutern zugleich den Weg des Mediationsverfahrens bis zum Vergleichsvertrag. 

Das Buch gliedert sich in sechs größere Abschnitte. Zunächst werden grundlegende Begriffe und Zugänge erläutert, um den Steuerberater als Wirtschaftsmediator näher zu profilieren. Nach dieser zum Teil sehr persönlichen Schilderung eines Lern- und Entwicklungsprozesses in Richtung Mediation folgen Definitionen und Abgrenzungen zum Umgang mit Konflikten zwischen Wirtschaftsmediation, Gerichtsprozess, Schiedsverfahren, Schlichtung und gerichtsnaher Mediation. Vor dem Hintergrund der Bestimmungen des Steuerberatungsgesetzes werden abschließend die möglichen Anwendungsgebiete für Steuerberater als Wirtschaftsmediatoren skizziert. Die Autoren betonen an dieser Stelle, dass Steuerberater die rechtlichen und steuerrechtlichen Hintergründe von Konflikten i.d.R. überblicken und verstehen können, so dass z.B. weitere Sachverständige nicht hinzugezogen werden müssen. Darin sehen sie nicht zuletzt eine Art Alleinstellungsmerkmal im Vergleich zu anderen Mediatoren, die diese Kompetenzen nicht mitbringen. 

Der zweite Abschnitt des Buches widmet sich den unterschiedlichen Verhandlungsformen, wie sie auch an anderer Stelle bereits vielfach beschrieben wurden. Es werden grundlegende Informationen zur verbalen und nonverbalen Kommunikation sowie Erkenntnisse zu Verhandlungstypen, -strategien und -taktiken referiert. An verschiedenen Stellen dieses Kapitels werden Bezüge zum Tätigkeitsfeld eines Steuerberaters hergestellt. Besonders gelungen ist die abschließende Übersicht zu typischen Verhandlungsfeldern, die für Steuerberater von besonderer Relevanz sind. 

Der dritte Abschnitt beschreibt im Detail die Struktur des Verfahrens in der Wirtschaftsmediation. Neben vertraglichen und organisatorischen Absprachen fokussieren die Autoren hier auf das Anforderungsprofil eines Wirtschaftsmediators, das sie zu sechs Persönlichkeitsmerkmalen verdichten. Darüber hinaus beschreiben sie die erforderlichen fachlichen Kompetenzen und zählen dazu z.B. Prozess- und Methodenkompetenz, organisationelle Kenntnisse (Fach- und Feldkompetenz) sowie Aspekte der Qualitätssicherung. Aufschlussreiche Exkurse zu Mobbing und zur Online-Mediation beschließen dieses Kapitel. 

Der vierte Abschnitt beschreibt den Ablauf einer Mediation anhand des bekannten Phasenmodells. Es werden Arbeitstechniken beschrieben, die in den jeweiligen Phasen hilfreich sind. Erfahrene Mediatoren werden in diesem Abschnitt viel Vertrautes wieder finden und ggf. den einen oder anderen Tipp für ihre eigene Praxis aufschnappen. Für Mediatoren in Ausbildung bietet dieser Abschnitt eine nahezu komplette Beschreibung der wichtigsten Arbeitsweisen, die sich in der Mediationspraxis bewährt haben. 

Im fünften Kapitel richten die Autoren ihre Aufmerksamkeit auf die möglichen Einsatzgebiete für Mediation im Praxisalltag des Steuerberaters. Einer kurzen Marktanalyse folgen Ausführungen zur Grundqualifikation des Steuerberaters und zu möglichen Anwendungsfeldern, wobei der Schwerpunkt auf der Arbeit bei bzw. für Mandanten liegt. Sehr differenziert werden Anwendungsbereiche in Unternehmen, in Familienunternehmen und zwischen Unternehmen und Behörden beschrieben. Außerdem finden sich in diesem Kapitel Hinweise auf Nachlassregelungen, Schenkungen zu Lebzeiten, Erbauseinandersetzungen, Unternehmenskäufen und -verkäufen sowie zu Investitionen in Vermögensanlagen. 

Das abschließende sechste Kapitel konzentriert sich auf die berufsrechtliche Einschätzung des Steuerberaters als Wirtschaftsmediator und fragt u.a., unter welchen Bedingungen Steuerberater Werbung für das neue Geschäftsfeld Wirtschaftsmediation machen dürfen. Außerdem finden sich in diesem Teil des Buches Einschätzungen und Ausführungen zu Honorarregelungen, wie sie in der Praxis bislang vorkommen. Im Anhang finden sich beispielhafte Mediationsordnungen, -vereinbarungen und verträge, die als Muster dienen können. 

Das Buch wird dem selbst gesetzten Anspruch in jeder Hinsicht gerecht und dürfte für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, die sich dem Beratungsfeld der Wirtschaftsmediation widmen wollen, zu einem Standardwerk werden. Die Sorgfalt, die die beiden Autoren auf die inhaltliche Gestaltung des Werkes aufgewandt haben, findet sich leider nicht in jeder Hinsicht beim Lektorat wieder, denn die Seitenzahlen des Inhaltsverzeichnisses stimmen nur selten mit den tatsächlichen Seiten überein. Das macht das Auffinden wichtiger Textstellen schwer und sollte bei der zweiten Auflage des Buches unbedingt korrigiert werden. Bei einem keineswegs bescheidenen Preis von 49,90 EUR erwartet die Leserschaft vom renommierten Gabler Verlag eine fehlerfreie Buchproduktion. Trotz dieses kleinen Mangels ist das Buch eine gelungene und sehr empfehlenswerte Einführung für das Instrument der Mediation in die Praxis von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern. 

© Ralf Lange, Praxis für sozialwissenschaftliche Organisationsberatung, Hamburg